Sabine Hagemann-Ünlüsoy: Warum ich für den Erhalt des Berliner Neutralitätsgesetzes eintrete

Sabine Hagemann-Ünlüsoy  hat den Aufruf zum Erhalt des Berliner Neutralitätsgesetzes unterzeichnet.  Sie hat Goethe-Institute im Ausland geleitet, darunter auch  für mehrere Jahre das Goethe-Institut in Ankara.  Ihr Eintreten für das  Berliner Neutralitätsgesetz  begründet sie so:

 

„Nicht die Lehrkraft steht im Vordergrund, sondern die Schüler und Schülerinnen.“

 

Unsere Gesellschaft setzt ihre Zukunftshoffnungen auf die Schule: Dort werden Kinder und Jugendliche mit deutschem oder mit Migrationshintergrund sowie neu eingereiste Flüchtlingskinder auf einen gemeinsamen Weg des Erwachsenwerdens geführt, lernen sie die Spielregeln der Gesellschaft. 

 Die Lehrkräfte sind gesetzlich, aber auch moralisch zu weltanschaulicher und politischer Neutralität verpflichtet, und wir verstehen das als eine Basis ihrer pädagogischen Verantwortung und als Dienst an den von ihnen abhängigen Kindern. Diese Neutralität darf man sich keineswegs als etwas Leeres vorstellen, sondern als Raum gebend und ordnend, den Werten unserer Demokratie verpflichtet, den Lehrauftrag einlösend.

 Nicht die Lehrkraft steht im Vordergrund, sondern die Schüler und Schülerinnen. Diese Neutralität darf nicht in Frage gestellt werden, wie es neuerdings geschieht, durch Bevorzugung von Lehrerinteressen zu Lasten der Schülerinteressen: Das islamische Kopftuch (im Türkischen auch Türban genannt) etwa sollte als Ausdruck religiöser Orthodoxie gewertet werden und nicht in laissez-faire Weise relativiert werden nach dem Motto „Warum nicht“.: Es ist nicht irgendein Kleidungsstück, sondern eine religiöse Manifestation, die sehr bedrängend sein kann und es oft genug ist. Vor dieser Realität dürfen wir die Augen nicht verschließen.

 Wie wichtig die Einnahme und das Ausstrahlen einer neutralen, also offenen Position ist, habe ich immer wieder in meiner beruflichen Laufbahn als Leiterin von Goethe-Instituten im Ausland, zuletzt in Ankara erlebt: Die Diskussionsforen lebten von einer professionellen Neutralität der Diskussionsleitung Es gab in den besten Stunden so etwas wie eine gelebte Utopie von Freiheit und Gleichberechtigung aller Anwesenden. Ich konnte stolz darauf sein, aus einem Land zu kommen, das dieses Ideal pflegt. 

 Um das Vertrauen der Eltern, die in dieses freie Land Deutschland gekommen sind oder hier geboren wurden, zu rechtfertigen, müssen die Vertreter der Institution Schule die Attraktivität einer freien Gesellschaft vorleben und für die Kinder erfahrbar machen. Das bedeutet aktive Neutralität.

Sabine Hagemann-Ünlüsoy

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