Richtlinie der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie

zur  Anwendung des Neutralitätsgesetzes an den Schulen vom 04.09.2017

 

 

… auf Grund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Januar 2015 und des Urteils des Landesarbeitsgerichtes vom 9. Februar 2017 ist es in der Öffentlichkeit und in der Folge auch in den öffentlichen Schulen zu Diskussionen über die Geltung des Gesetzes zu Artikel 29 der Verfassung von Berlin vom 27. Januar 2005 (im Folgenden: Neutralitätsgesetz) gekommen. Dieses Schreiben soll Ihnen Hinweise zur Anwendung des Neutralitätsgesetzes geben, das weiterhin geltendes Recht und daher anzuwenden ist.

 

  1. Hintergrund

 

Das Neutralitätsgesetz entstand im Jahr 2005, nachdem das Bundesverfassungsgericht entschieden hatte, dass es „dem demokratischen Landesgesetzgeber obliege, das unvermeidliche Spannungsverhältnis zwischen positiver Glaubensfreiheit einer Lehrerin oder eines Lehrers einerseits und der staatlichen Pflicht zu weltanschaulich- religiöser Neutralität, dem Erziehungsrecht der Eltern sowie der negativen Glaubensfreiheit der Schülerinnen und Schüler andererseits unter Berücksichtigung des Toleranzgebotes zu lösen und im öffent-

lichen Willensbildungsprozess einen für alle zumutbaren Kompromiss zu suchen“ (vgl. BVerfG vom 24.09.2003 – 2 BvR 1436/02-Rz. 47).

 

Mit dem Neutralitätsgesetz hat der Berliner Gesetzgeber für die gesamte Berliner Verwaltung und damit auch für die Berliner Schule ein Gesetz geschaffen, das gerade in der Großstadt Berlin, in der ca. 250 Konfessionen und weltanschauliche Überzeugungen zusammentreffen, der staatlichen Neutralitätspflicht eine stärkere distanzierende Bedeutung beimisst, um auf diese Weise die stabilisierende und friedenssichernde Funktion des Staates zu garantieren.

 

  1. Hinweise zur Auslegung des Neutralitätsgesetzes

 

Gemäß § 2 Neutralitätsgesetz dürfen „Lehrkräfte und andere Beschäftigte mit pädago- gischem Auftrag in den öffentlichen Schulen innerhalb des Dienstes keine sichtbaren religiösen oder weltanschaulichen Symbole, die für die Betrachterin oder den Betrachter eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religions- und Weltanschauungsgemeinschaft demon- strieren, und keine auffallenden religiös oder weltanschaulich geprägten Kleidungsstücke tragen.“ Der Staat hat den Erziehungsauftrag in Neutralität gegenüber unterschiedlichen religiösen und weltanschaulichen Richtungen wahrzunehmen.

 

Anders als in dem der Entscheidung vom 29. Januar 2015 zugrundeliegenden Gesetz aus Nordrhein-Westfalen hat sich der Berliner Gesetzgeber dafür entschieden, alle Religions- und Weltanschauungen gleich zu behandeln, was auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung verlangt. Bei der Ausgestaltung des Erziehungsauftrages verfolgt der Berliner Gesetzgeber das legitime Ziel, durch das äußere Erscheinungsbild der Lehrkräfte religiöse Bezüge von Schülerinnen und Schülern fernzuhalten, um Konflikte mit ihnen, den Eltern oder anderen Pädagoginnen und Pädagogen zu vermeiden. Gerade bei jüngeren Schülerinnen und Schülern kann eine intensive Konfrontation mit Überzeugungen der Lehrkräfte und des weiteren pädagogischen Personals zum Gefühl der Ablehnung oder einer erzwungenen Anpassung führen.

 

Aus dem Wortlaut des § 2 Neutralitätsgesetz ergibt sich, dass religiöse oder weltanschauliche Symbole sichtbar sein und eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religions- und Weltanschauungsgemeinschaft demonstrieren müssen. Die Sichtbarkeit eines religiösen Symbols ist allein nicht ausreichend, um das Neutralitätsgesetz zu verletzen. Vielmehr muss das „Demonstrieren“ hinzukommen, was eine hinreichend starke Bekun- dungswirkung voraussetzt, die über das bloße Tragen des Symbols hinausgeht.

 

Das Tragen eines Kopftuchs aus religiösen Gründen stellt stets ein derartiges Demonstrieren dar. Aus Sicht eines objektiven Betrachters muss auf Grund der entsprechend starken religiösen Bekundung jedenfalls die Möglichkeit einer Beeinflussung der Schulkinder oder von Konflikten mit Eltern, was zu einer Gefährdung oder Störung des Schulfriedens führen und damit den Erziehungsauftrag gefährden kann, gegeben sein. Von einer Gefährdung des Schulfriedens kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn zu befürchten ist, dass über Fragen des richtigen weltanschaulichen oder religiösen Verhaltens kontroverse Positionen derart nachdrücklich vertreten werden, dass schulische Abläufe und die Erfüllung des staatlichen Erziehungsauftrages ernsthaft beeinträchtigt werden.

 

Symbole, die als Schmuckstücke getragen werden und auch als solche von einem objektiven Betrachter erkennbar sind, dürfen getragen werden, solange sie den Schulfrieden nicht gefährden

 

III. Ausnahmen

 

Es gibt mehrere Ausnahmen zu dem Verbot aus § 2 Neutralitätsgesetz, die im Folgenden kurz erläutert werden. Auch hierin unterscheidet sich die Gesetzes- und Rechtslage im Land Berlin u.a. von der in Nordrhein-Westfalen, wo es ein pauschales und ausnahmsloses Verbot gibt.

 

  1. Gemäß § 3 Neutralitätsgesetz findet das Verbot keine Anwendung für Lehrkräfte an den beruflichen Schulen sowie an den Einrichtungen des Zweiten Bildungsweges. Sowohl in

Berufsschulen als auch in Einrichtungen des Zweiten Bildungsweges tritt der Erziehungs- auftrag der Schule weitgehend zurück. Die Schülerinnen und Schüler haben die allgemeine Schulpflicht bereits erfüllt und sind regelmäßig in einem Alter, in dem ihre Anschauungen bereits gefestigter sind und somit die Gefahr einer Beeinflussung geringer ist.

 

  1. Für Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter (Referendarinnen und Referen- dare) werden gemäß § 4 Neutralitätsgesetz Ausnahmen vom Verbot gemacht. Der Staat besitzt hier ein Ausbildungsmonopol, so dass sich aus dem Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 GG) grundsätzlich ein Anspruch auf Teilhabe an der staatlichen Ausbildung ergibt, sofern die regulären Ausbildungsvoraussetzungen erfüllt sind. Dies gilt nicht für Lehr- kräfte, die sich im berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst befinden.

Studierende sind während der Ausbildung in staatlichen Schulen, z.B. im Praxissemester, vom Verbot ausgenommen

.

  1. Das Verbot gilt nicht für Beschäftigte ohne pädagogischen Auftrag (Hausmeisterinnen und

Hausmeister, Sekretärinnen und Sekretäre, Küchenpersonal etc).

 

  1. Gemäß § 2 S. 3 Neutralitätsgesetz gilt das Verbot nicht für die Erteilung von Religions- und Weltanschauungsunterricht.

 

  1. Auf Schulen in freier Trägerschaft (Privatschulen) findet das Gesetz ebenfalls keine An- Schule weitgehend zurück. Die Schülerinnen und Schüler haben die allgemeine Schulpflicht bereits erfüllt und sind regelmäßig in einem Alter, in dem ihre Anschauungen bereits gefestigter sind und somit die Gefahr einer Beeinflussung geringer ist.

 

  1. Für Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter (Referendarinnen und Referendare) werden gemäß § 4 Neutralitätsgesetz Ausnahmen vom Verbot gemacht. Der Staat besitzt hier ein Ausbildungsmonopol, so dass sich aus dem Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 GG) grundsätzlich ein Anspruch auf Teilhabe an der staatlichen Ausbildung ergibt, sofern die regulären Ausbildungsvoraussetzungen

erfüllt sind. Dies gilt nicht für Lehrkräfte, die sich im berufsbegleitenden

Vorbereitungsdienst befinden.

Studierende sind während der Ausbildung in staatlichen Schulen, z.B. im Praxissemester, vom Verbot ausgenommen.

 

  1. Das Verbot gilt nicht für Beschäftigte ohne pädagogischen Auftrag (Hausmeisterinnen und

Hausmeister, Sekretärinnen und Sekretäre, Küchenpersonal etc).

  1. Gemäß § 2 S. 3 Neutralitätsgesetz gilt das Verbot nicht für die Erteilung von Religions- und Weltanschauungsunterricht.

 

  1. Auf Schulen in freier Trägerschaft (Privatschulen) findet das Gesetz ebenfalls keine Anwendung. …..