Erklärung der Initiative Pro Berliner Neutralitätsgesetz zum Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 27. November 2018

 

Das LAG hält das Berliner Neutralitätsgesetz nicht für grundsätzlich verfassungswidrig.

Die Initiative Pro Berliner Neutralitätsgesetz erwartet vom Berliner Senat, dass gegen das Urteil des LAG Revision zum Bundesarbeitsgericht eingelegt wird.

Diejenigen, die sich für religiöse Symbole bei Pädagog*innen aussprechen  missachten  die Gefahren für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen durch die von solchen Symbolen ausgehenden Beeinflussungen.

 

Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat das Berliner Neutralitätsgesetz „verfassungskonform“ ausgelegt und ist damit einer Entscheidung des LAG Berlin aus dem vorigen Jahr gefolgt. Dabei lässt das Gericht aber außer Acht, dass die Interpretation eines Gesetzes auf keinen Fall dessen eindeutigen Wortlaut in sein Gegenteil verdrehen darf, und hat somit die Grenzen einer verfassungskonformen Gesetzesauslegung missachtet. Ein solches Vorgehen wurde von namhaften Juristen bereits am LAG-Urteil von 2017 kritisiert. Das LAG hat was in der öffentlichen Debatte jedoch zu kurz kommt das Neutralitätsgesetz aber nicht grundsätzlich als verfassungswidrig bezeichnet.

Das aktuelle Urteil steht nicht im Einklang mit neueren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der dem Tragen religiöser Bekleidung während der Berufsausübung klare Grenzen setzt.  Hier bedarf es einer weiteren rechtlichen Klärung, da sich das LAG von der Rechtsprechung des EuGH völlig unbeeindruckt zeigte. Gleiches gilt auch für die Auslegung zweier sich widersprechender Urteile der beiden Senate des Bundesverfassungsgerichts aus den Jahren 2003 und 2015, da die rechtlichen Folgen eines solchen Widerspruchs vom LAG nicht berücksichtigt worden sind.

Die Initiative Pro Berliner Neutralitätsgesetz erwartet vom Berliner Senat, dass die juristische Aus- einandersetzung weitergeführt und gegen das Urteil des LAG Revision zum Bundesarbeitsgericht eingelegt wird. Das LAG hat die Einlegung der Revision für das Land Berlin ausdrücklich zugelassen.

Im vergangenen Jahr hat der Berliner Senat den Weg zum Bundesarbeitsgericht gegen ein ähnliches Urteil des LAG nicht beschritten. Ob dies der Obstruktionspolitik des Justizsenators Behrendt geschuldet war, ist der Initiative nicht bekannt. Auf keinen Fall sollte sich der Senat von der weiteren juristischen Klärung abhalten lassen, auch wenn der Justizsenator nur Stunden nach dem Urteil des LAG gesetzgeberische Maßnahmen verlangt hat. Dazu ist die staatliche Neutralität ein zu hohes und für den gesellschaftlichen Frieden zu wichtiges Gut, als dass sie rein formalen Gesichtspunkten, die die gesellschaftliche Realität nicht beachten, geopfert werden dürfte.

Das LAG ist in seiner Entscheidung ausschließlich dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2015 gefolgt und verlangt das Vorhandensein einer sogenannten konkreten Gefahr, um religiöse und weltanschauliche Symbole während der Dienstzeit untersagen zu können. In der mündlichen Urteilsbegründung wurde dazu erwähnt, dass das Land Berlin zu der vorhandenen Gefahrenlage (insbesondere durch religiöses Mobbing) nicht konkret und umfassend genug Ausführungen gemacht hätte. Damit hat das LAG letztlich verlangt, dass das Land Berlin sämtliche Gründe darlegt, die zur Schaffung des Neutralitätsgesetzes geführt haben. Das wurde vom Land Berlin jedoch in der ersten Instanz ausführlich begründet und in dem Urteil des Arbeitsgerichts ausdrücklich hervorgehoben. Das Land Berlin hat für sein Gebiet eine konkrete Gefährdung gesehen und daher das Neutralitätsgesetz erlassen. In den Begründungen und der Debatte zum Neutralitätsgesetz sind Vorfälle an Berliner Schulen berücksichtigt worden.

Die Initiative Pro Berliner Neutralitätsgesetz erwartet von der Senatsverwaltung, hierzu konkrete empirische Untersuchungen und Ergebnisse in die laufenden Verfahren einzubringen. Der Senat steht in der Verantwortung, seine – längst vorhandenen – Kenntnisse über die bereits vorhandenen Störungen des Schulfriedens durch religiöses Mobbing in die anstehenden Gerichtsverfahren einzuführen. Er wird dabei auch darlegen können, welche negativen Auswirkungen zu besorgen sind, wenn Lehrkräfte die Symbole ihrer Religionen oder für eine bestimmte Auslegung ihrer Religionen, schulpflichtigen Kindern aufnötigen und auf diese Weise bereits bestehenden Auseinandersetzungen – beispielsweise in der islamischen Community – auf dem Rücken der Kinder noch weiter verschärfen.

Es muss unter allen Umständen verhindert werden, dass durch verschärfte Auseinandersetzungen über religiöse Symbole in den Schulen die Umsetzung des schulischen Bildungsauftrags behindert und Kinder insbesondere aus muslimischen Familien, die nicht strenggläubig sind, gemobbt und in ihrer schulischen und persönlichen Entwicklung beeinträchtigt werden. Diejenigen, die sich für religiöse Symbole bei Pädagog*innen aussprechen, haben bislang nicht erkennen lassen, dass sie diese Gefahren für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in der Schule berücksichtigen und sich derer bewusst sind.

Berlin, 03.12.2018

Für die Initiative Pro Berliner Neutralitätsgesetz

Walter Otte, Michael Hammerbacher, Ulla Widmer-Rockstroh

 

 

 

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