BAG-Urteil zum Berliner Neutralitätsgesetz: eine Zurückweisung der Aufklärung und des Frauenkampfes für Gleichberechtigung der Geschlechter

Migrantinnen für Säkularität und Selbstbestimmung

Stellungnahme zum Urteil des BAG zum Berliner Neutralitätsgesetz

Das gestrige Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum Berliner Neutralitätsgesetz ist eine Zurückweisung der Aufklärung und des Frauenkampfes um die Gleichberechtigung der Geschlechter. Die säkularen und atheistischen Bürger_innen sind entsetzt. Die Vertreter_innen des politischen Islams und ihre anti-feministischen religionsprotektionischen Alliierten feiern ihr erfolgreiches Voranschreiten. Und über diese Begünstigung freuen sich die Evangelikalen sicherlich ebenso.

Das Berliner Neutralitätsgesetz ist ein beispielhaftes Gesetz in unserer säkularen Demokratie. Denn es sichert die Trennung von Staat und Religion. Deshalb fordern wir Migrantinnen für Säkularität und Selbstbestimmung seine bundesweite Umsetzung. Seine Aufweichung oder gar seine Abschaffung würde fatale Folgen auf eine der überaus wichtigen Säulen unseres Staates haben: Seine Neutralität.

In der Tat müssen die Richter_innen ihre Urteile entsprechend dem geltenden Recht verkünden. Religionsfreiheit ist durch unsere Verfassung gesichert und das ist gut so. Allerdings: Religionsfreiheit bedeutet auch frei von Religion leben zu dürfen. Und dies muss auch den Kindern garantiert werden. Dieses Grundrecht sowie das Recht auf Gewissensfreiheit scheinen heute für manche unserer Richter_innen irrelevant zu sein.

Auch die Gleichberechtigung der Geschlechter ist in unserer Verfassung verankert. Und durch die Unterzeichnung der CEDAW*hat sich die Bundesrepublik rechtlich und faktisch verpflichtet, jede Form von Diskriminierung von Frauen aktiv zu beseitigen.

Nun ist heute allen bekannt, dass das Kopftuch kein religiöses Symbol ist, sondern ein patriarchales geschlechtsspezifisches Instrument zur Kontrolle der Frau, ihres Körpers und ihrer Sexualität. Zudem wurde das Kopftuch insbesondere in den vergangenen Jahrzehnten durch die Islamisten als eine Uniform etabliert, um ihre identitäre Ideologie sichtbarer zu machen und zu normalisieren.

So stellen wir Migrantinnen für Säkularität und Selbstbestimmung uns die Frage, wie tief ist Misogynie bei unseren Rechtssprecher_innen verwurzelt, sodass sie diesen Aspekt auch nicht berücksichtigen?

Die Schule gehört den Kindern, nicht den Lehrer_Innen. Religiöse Konflikte gehören bereits zum schulischen Alltag. Pädagoginnen, die ihre „religiöse“, weltanschauliche oder politische Zugehörigkeit offensichtlich zur Schau tragen, werden diese Probleme nur noch verschärfen. Darüber hinaus: erlaubt man Lehrerinnen diese geschlechtsspezifische Uniform während des Schulunterrichts zu tragen, öffnet man den ideologisch-religiösen Kräften die Tore unserer Schulen.

Und dies wird fatale Folgen für die kommenden Generationen haben: So werden Kindern, insbesondere Mädchen, auch in ihren Schulen ein reaktionäres Frauenbild früh verinnerlichen. Begriffe wie Säkularität, Selbstbestimmung und Emanzipation von religiösem, moralischem und männlichem Diktat werden ihnen allmählich fremd. Noch schlimmer: Wenn Mädchen alltäglich auch in der Schule mit dem Kopftuch konfrontiert werden, werden sie nicht mehr imstande sein, sich vom orthodoxen, konservativen Narrativ ihrer Eltern und/oder ihrer Community zu distanzieren.

Ist es wirklich das, was unser heutiger freier demokratischer Rechtsstaat Kindern hinterlassen möchte?

Unsere Fassungslosigkeit löst sich etwas auf, wenn vernünftige Stimmen sich gegen solche Rechtsprechungen erheben. So begrüßen wir das gemeinsame Statement der Arbeitskreise Humanist_innen und Konfessionsfreie in der Berliner SPD und Säkulare Linke in DIE LINKE Berlin zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum Berliner Neutralitätsgesetz und die Stellungnahme der Säkularen Grünen Berlin.

Migrantinnen für Säkularität und Selbstbestimmung                             28.08.2020

Monireh Kazemi     Naila Chikhi      Fatma Keser

*CEDAW = Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women =>  Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (UN-Frauenkonvention)

Kontakt: https://www.facebook.com/Autonome.Migrantinnen/?ref=page_internal

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