Dr. Jacqueline Neumann: Warum ich für den Erhalt des Berliner Neutralitätsgesetzes votiere.

Dr. Jacqueline Neumann hat den Aufruf zum Erhalt des Berliner Neutralitätsgesetzes unterzeichnet.  Warum sie sich für das Neutralitätsgesetz engagiert, begründet die Juristin und wissenschaftliche Koordinatorin des Instituts für Weltanschauungsrecht (ifw) hier.

„Das Berliner Neutralitätsgesetz ist vorbildlich. Es verfolgt einen rechtmäßigen Zweck, namentlich die Wahrung des Grundsatzes staatlicher Neutralität. Neutralität ist keine bloße politische Richtschnur, von der nach Belieben abgewichen werden kann. Es handelt sich vielmehr um ein objektives Gebot der Verfassung, das in einer religiös-weltanschaulich pluralen Gesellschaft als Instrument der Friedenssicherung dient.

Weltanschauliche Neutralität ist mithin ein Qualitätskriterium der Rechtsstaatlichkeit.

Dementsprechend hat auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschieden, dass das Kopftuchverbot an eine schweizerische Grundschullehrerin mit der Religionsfreiheit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar ist (Urteil vom 10. November 2005, Az. 44774/98). Der EGMR argumentierte, dass eine Lehrerin in öffentlichen Schulen eine Vertreterin des Staates sei. Oftmals sogar Beamtin. Daher habe die Religionsfreiheit der Lehrerin ein geringeres Gewicht, wenn sie abgewogen werde mit den Rechten und Pflichten der anderen Beteiligten. Zum Beispiel mit dem staatlichen Erziehungsauftrag, der neutral zu erfolgen habe, der Integrationsfähigkeit des Staates, dem elterlichen Erziehungsrecht und der negativen Glaubensfreiheit der Schüler. Die Urteile des EGMR sind bei der Auslegung der Grundrechte des deutschen Grundgesetzes heranzuziehen.

In dieselbe Richtung weist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteile vom 14. März 2017, Az. C-157/15 und C-188/15), welche sogar Anwendungsvorrang vor dem deutschen Recht genießt. Danach kann ein Kopftuchverbot rechtmäßig sein, wenn damit eine Politik der religiösen, philosophischen und politischen Neutralität verfolgt wird. Dies trifft auf das Berliner Neutralitätsgesetz, welches das Tragen sämtlicher sichtbarer religiöser oder weltanschaulicher Symbole verbietet, zu. 

Vor diesem Hintergrund bestehen gegen bei Beibehaltung des Berliner Neutralitätsgesetzes keine Bedenken. Im Gegenteil. Die übrigen Bundesländer sollten sich ein Beispiel an dem Gesetz nehmen und ebenfalls entsprechende Regelungen erlassen.“

 

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