„Religiöse Zurückhaltung ist keine Diskriminierung“

Wer die öffentliche Debatte über die „Initiative Pro Berliner Neutralitätsgesetz“ zum Erhalt des Berliner Neutralitätsgesetzes verfolgt, landet schnell bei der Kontroverse über muslimische Bekleidungsregeln. Die Diskussion über die Zulässigkeit religiöser Symbole bei Gericht und in der Schule greift aber zu kurz, wenn sie sich auf das muslimische Kopftuch verengt.

Ob diese Kopfbedeckung verbindlich religiös vorgeschrieben ist oder ob das Tragen ein Akt selbstbestimmter Lebensführung ist: es geht den Staat schlicht nichts an! Er sollte sich davor hüten, religiöse Fragen entscheiden zu wollen. Der Rechtsstaat ist keine Glaubensveranstaltung.

1. Der Rechtsstaat muss seine eigentlichen Kernaufgaben wahrnehmen und die Menschen gleich behandeln. So haben sich muslimische Frauen – zu Recht – über Diskriminierung beklagt, wenn ihnen einige Landesgesetze religiöse Bekleidung im Dienst untersagten, an christlichen Symbolen hingegen nichts auszusetzen hatten.

Glücklicherweise hat das Bundesverfassungsgericht diesem Spuk ein Ende gemacht und die entsprechenden landesrechtlichen Regelungen für nichtig erklärt. Gesetze zur Neutralität des Staates müssen immer für alle gleichermaßen gelten!

2. Es ist keine Diskriminierung, von Pädagog*innen, Polizist*innen sowie Richter*innen und Staatsanwält*innen zu verlangen, niemanden – auch gegen dessen Willen – religiös, weltanschaulich oder politisch zu beeinflussen. Die gebotene Neutralität ist besonders bei der Erziehung schulpflichtiger Kinder wichtig, weil Kinder von ihren Lehrer*innen sich leicht beeinflussen lassen.

Es ist nicht richtig, nur über die Religionsfreiheit dieser Beschäftigten im Dienst zu sprechen. Nicht nur diese haben Grundrechte, sondern mindestens in gleichem Umfang auch diejenigen, die von ihnen abhängig sind.

3. Auch gesellschaftspolitisch ist die strikte Gleichbehandlung der Religions-und Weltanschauungsgemeinschaften durch den Staat unabdingbar. An vielen Stellen ist das öffentliche Meinungsklima für viele Musliminnen und Muslime belastend. Gesetze, die ausschließlich auf Muslime und ihre religiösen Symbole abzielen, grenzen noch weiter aus. Jede gesetzliche Stigmatisierung verstärkt vorhandene Diskriminierungstendenzen und verhindert Integration.

4. Das Berliner Neutralitätsgesetz vermeidet in vorbildlicher Weise jede Ausgrenzung einer bestimmten Religion und behandelt sie gleich. Es geht damit den richtigen Weg. Es verhängt keine „Berufsverbote“, sondern regelt lediglich einen zeitlich eng begrenzten Verzicht auf religiöse Demonstration im Kernbereich öffentlicher Tätigkeit.

Die „Initiative Pro Berliner Neutralitätsgesetz“ setzt sich daher für den Erhalt des Gesetzes ein, gerade weil es niemanden diskriminiert und zugleich die staatliche Neutralität wahrt. Dabei muss es bleiben.

Jürgen Roth

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