Michael Rux: Warum ich für den Erhalt des Berliner Neutralitätsgesetzes eintrete

Michael Rux, Ehrenmitglied der GEW Baden-Württemberg,  hat den Aufruf zum Erhalt des Berliner Neutralitätsgesetzes unterzeichnet. Der ehemalige Chefredakteur der GEW-Zeitschrift im „Ländle“, von der Gewerkschaft als „das lebende Gedächtnis der GEW“ bezeichnet , äußert sich zu den Gründen für seine Unterzeichnung folgendermaßen: 

Berliner Neutralitätsgesetz hat Leuchtturmcharakter 

Ich bin für die Erhaltung des Berliner „Neutralitätsgesetzes“, weil es Leuchtturmcharakter besitzt: Es strahlt aus in jene Bundesländer wie das meine (Baden-Württemberg), wo die Landesverfassung – anders als in Berlin – starke religiöse und zum Teil auch dezidiert auf das Christentum gerichtete Bezüge besitzt. Aber auch im deutschen Südwesten stellt sich die Frage: Wie neutral ist unser Staat eigentlich? Wie verhält er sich in Fragen der Weltanschauung und Religion gegenüber allen seinen Bürgerinnen und Bürgern und nicht nur gegenüber der christlich orientierten Mehrheit (die inzwischen auch im „Ländle“ auf dem Weg ist, eine unter den vielen anderen Minderheiten zu sein)?

Wenn es nach mir ginge, sollten auch wir ein Landes-Neutralitätsgesetz besitzen, das den Staat und alle staatlich Bediensteten verpflichtet, den Bürgerinnen und Bürgern ohne weltanschauliche oder religiöse Zeichen und Gebärden gegenüber zu treten. Denn die vom Grundgesetz geschützte Religionsfreiheit bedeutet nicht nur die Freiheit, eine Religion zu haben und auszuüben, sondern auch keiner oder einer anderen Religion anzugehören („negative“ Glaubensfreiheit).

Ein solches Gesetz würde auch in meinem Bundesland deutlich machen, dass Zusammenleben in Vielfalt nur dann gelingt, wenn wir die Unterschiedlichkeit der Lebensentwürfe und Religionen / Weltanschauungen sowie die Individualität aller Bewohner/innen akzeptieren. Dazu bedarf es religiös und weltanschaulich neutraler staatlicher Institutionen.

Ich weiß aber auch, dass mein Wunsch, auch in Baden-Württemberg ein Neutralitätsgesetz zu bekommen, zumindest heute an der Realität scheitern muss. Denn dafür würde es nicht reichen, das Schulgesetz oder das Landesbeamtengesetz zu ändern, sondern hier gibt es verfassungsrechtliche Grenzen. Angesichts der starken christlich geprägten Traditionen und der politischen Mehrheitsverhältnisse im Land Baden-Württemberg ist dort heute der Gedanke eines für alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes geltenden Neutralitätsgebots politisch (noch) nicht durchsetzbar.

Umso wichtiger ist es, dass sich in Berlin nicht jene Kräfte durchsetzen, die das dortige, gute Gesetz aufweichen oder abschaffen wollen. Deshalb erkläre ich mich mit den Berlinerinnen und Berlinern solidarisch, die für die volle Religionsfreiheit eintreten, auch die „negative“ Glaubensfreiheit, und vom Staat verlangen, neutral zu sein und zu bleiben.

Michael Rux

Ehrenmitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Baden-Württemberg   

 

 

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