Dr. Abir Alhaj Mawas: Warum ich für den Erhalt des Berliner Neutralitätsgesetzes eintrete

Dr. Abir Alhaj Mawas hat den Aufruf zum Erhalt des Berliner Neutralitätsgesetzes unterzeichnet. Sie ist Referentin bei terre des femmes im Referat „Gleichberechtigung und Integration“.  In einem persönlichen Beitrag begründet sie ihre Unterstützung des Berliner Neutralitätsgesetzes.

 

„Aus meiner wissenschaftlichen und beruflichen Erfahrung heraus tragen Mädchen, auch wenn sie etwas anderes behaupten, das Kopftuch nicht freiwillig. Ohne Kopftuch sind Frauen und Mädchen den verachtenden und anzüglichen Blicken der Männer ausgeliefert. Unter diesem soziokulturellen Druck fügen sich viele Mädchen und tragen aus Schutz das Kopftuch.

Das Kopftuch ist ein Sinnbild für die Unterdrückung der Frau. Da nur Frauen und Mädchen gezwungen werden ein Kopftuch zu tragen, werden sie im Gegensatz zu Männern und Jungen abgewertet. Die Verschleierung soll ihre weiblichen Reize vor den Männern verbergen, was eine Reduzierung der Mädchen und Frauen auf ihren Körper zur Folge hat. Männer können sich diesem Verständnis nach nicht zurückhalten, wenn eine Frau oder ein Mädchen nicht verschleiert ist. Selbst junge Mädchen werden so sexualisiert. Das Kopftuch ist demnach ein Produkt patriarchaler Strukturen und kein religiöses Symbol, sondern ein ideologisches.

Der Zwang zur Verschleierung grenzt die Mädchen auch beim Schwimmunterricht aus, da in Deutschland Jungen und Mädchen zusammen unterrichtet werden. Bei Mädchen sprechen wir von einem Zwang zur Verschleierung, da sie entweder von der Familie unter Druck gesetzt werden oder sich aus Angst vor Gott oder Männern fügen. Den Mädchen wird schon von klein auf vorgelebt und indoktriniert, welche Rolle sie in einer Gesellschaft einzunehmen haben, wie sie sich zu kleiden und zu verhalten haben. In Deutschland werden Mädchen und Jungen in Kindergärten nicht getrennt, anders als beispielsweise in Syrien.  So spielen Mädchen und Jungen zusammen, etwa Rollenspiele wie „Vater, Mutter, Kind“ wobei Jungen nicht zwangsläufig die Väter spielen und Mädchen die Mütter. In Syrien spielen Kinder ein ähnliches Spiel namens „Haus und Häuser“, das jedoch nur von Mädchen gespielt wird und stereotypische Frauenrollen zementiert.

Ich stehe hinter dem Neutralitätsgesetz, da ich eine Diskriminierung und Stigmatisierung muslimischer Frauen und Mädchen ablehne. Oft wollen Eltern ihre Mädchen früh an das Kopftuch gewöhnen, damit diese nach der Pubertät weiterhin das Kopftuch tragen. Viele Mädchen sehen, vor allem in jungem Alter, zu ihrer Lehrerin auf. Wenn Lehrerinnen Kopftuch tragen,  reproduzieren sie damit für die Mädchen ein falsches Vorbild und setzen sie möglicherweise unter Druck, sich ebenfalls zu verschleiern.

Muslimische Mädchen meinen oft minderwertiger als nicht-muslimische Mädchen zu sein. Sie möchten sich ebenfalls unverschleiert bewegen können, ohne Gefahr zu laufen, von muslimischen Männern und Jungen beschimpft, bedroht oder bedrängt zu werden. Das Neutralitätsgesetz schützt diese Mädchen und verhindert die Förderung von Parallelgesellschaften.“

 

Dr. Abir Alhaj Mawas

 

Zur Autorin:

  • Seit Oktober 2016 Referentin im Referat Flucht und Frauenrechte bei TERRE DES FEMMES e. V in Berlin.
  • 2015- 2016 Leitung der Beratungsstelle der Syrian International Association for Women Victims of War (Levantina) UNFPA
  • Von 2011 bis Oktober 2016 wissenschaftliche Mitarbeiterin, Universität Aleppo, Geisteswissenschaftliche Fakultät, und Lehrtätigkeit in der Soziologie-Abteilung.
  • 2004 bis 2010 Forschungsaufenthalt an der Technischen Universität Chemnitz, (Deutschland) mit Abschluss der Promotion im Fach Soziologie.
  • Dissertation: „Gewalt gegen Frauen in Syrien und Deutschland, eine qualitative vergleichende Studie“.
  • Ab 2002 wissenschaftliche Mitarbeiterin, Universität Aleppo, Geistswissenschaftliche Fakultät.
  • Bis 1999 Lehrtätigkeit am Gymnasium in der Stadt Aleppo (Syrien).

 

Arbeitsgebiete und Forschungsschwerpunkte:

Familiensoziologie, Internationaler Sozialstrukturvergleich, Migrationssoziologie, Ungleichheitsforschung, Jugendsoziologie, Kulturforschung, Kultur- und Ländervergleich, Integrations- und Migrationsforschung, Gewalt gegen Frauen und Kinder in bewaffneten Konflikten.

 

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