Alevitische Gemeinde Deutschland e.V. lehnt Kopftuch für Lehrerinnen ausdrücklich ab

 

„Niemand darf gezwungen werden, sich mit Menschen, die ihre religiöse Auffassung nach außen demonstrieren, auseinandersetzen zu müssen.“

Die Alevitische Gemeinde Deutschland ist die einzige alevitische Dachorganisation in Deutschland und vertritt mit etwa 270.000 Mitgliedern bald die Hälfte aller in Deutschland lebenden Alevit*innen. Der Verband hat keinen Vorläuferverband in der Türkei.

Im Zusammenhang mit dem 2015er Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat die Alevitische Gemeinde ausdrücklich erklärt:  Auch wenn für uns AlevitInnen das Bestreben praktizierender Musliminnen mit Kopftuch nach gleichen Berufschancen, nach freier religiöser Kleidungswahl während der Berufsausübung nachvollziehbar ist, ist für ein tolerantes Zusammenleben die Neutralität staatlicher Institutionen in einer pluralistischen Gesellschaft mit verschiedenen Nationen, Religionen und Konfessionen umso prioritärer.“  Alevit*innen hätten eine jahrhundertelange Verfolgungserfahrung in der Türkei, erst seit den 1980er Jahre gäbe es eine Bewegung in Deutschland und der Türkei, die sich gegen die Diskriminierung von Alevit*innen zur Wehr setze und die Anerkennung einer eigenen (religiösen) Identität in Staat und Gesellschaft einfordere. Dieser Prozess sei wegen des Engagements von Alevit*innen positiv fortgeschritten, aber längst noch nicht beendet.

Hinsichtlich von Kindern wird in diesem Zusammenhang ausgeführt: „Alevitische Kinder sollen ohne die Erfahrung von Diskriminierung von AlevitInnen im Alltag („Das Fleisch, das von Aleviten geschlachtet wurde, isst man nicht“, „Alevitische Mädchen heiratet man nicht und man verheiratet keine Angehörigen mit alevitischen Mädchen“, „bei der Cem-Zeremonie wird die Kerze ausgepustet und dann treiben sie’s – egal ob mit der eigenen Mutter oder der eigenen Tochter“[1]), die bis heute aufgrund der tief sitzenden und immer wieder reproduzierten Vorurteile andauert, ihren Glauben kennenlernen und sich nicht in negativer Abgrenzung zum sunnitisch-orthodoxen Islam behaupten müssen. Kontraproduktiv für die Bildung einer alevitischen Identität ist hierbei die Präsenz von Konflikten auf dem Schulhof, bei der sich alevitische Mädchen dafür legitimieren müssen, kein Kopftuch zu tragen.“

Kopftuchtragende Lehrerinnen werden von der Alevitischen Gemeinde abgelehnt, da sie angesichts der innerschulische Konflikte (mit religiöser Indoktrination und religiösem Mobbing) nicht Teil einer Lösung, sondern Teil des Problems selbst seien: „Mit der Reduktion solcher Konflikte ist im Falle der Beauftragung kopftuchtragender Lehrinnen nicht zu rechnen. Im Gegenteil: Diskriminierungshandlungen gegenüber nichtkopftuchtragenden Schülerinnen würden aufgrund der subjektiv durch die Lehrerin rührenden Legitimation steigen. Das Argument, wonach die kopftuchtragende Lehrerin in so einem Fall als „Schlichterin“ auftreten und zur Versöhnung des Streites beitragen könne, verkennt hier, dass dies die Bekämpfung von Symptomen, deren Mitverursacherin sie ist, darstellt. Interreligiöse Diskriminierungserfahrungen können auf dem Schulhof nur dann vermieden und minimiert werden, wenn auch die Pädagogin als für den Staat handelnde Person ihre Neutralität in jeder Hinsicht wahrt.“

Betont wird, dass sich die schulpflichtigen Kinder kopftuchtragenden Lehrerinnen nicht entziehen könnten, sie somit über die Schulpflicht zu einer Auseinandersetzung gezwungen würden, die keinem Erwachsenen zugemutet werde. Eine klare Aussage der Alevitischen Gemeinde, die nur unterstützt werden kann, lautet: „Niemand darf gezwungen werden, sich mit Menschen, die ihre religiöse Auffassung nach außen demonstrieren, auseinandersetzen zu müssen. Das verlangen die Grundrechte von niemandem. Kinder in der Schule haben keinerlei Ausweichmöglichkeit.“

Lesen Sie hier die Erklärung im Volltext: http://alevi.com/de/?p=7102

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