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Staatsrechtler Prof. Dr. Dreier: Staatliche Neutralität und religiöse Symbole – Gemeinsame Entscheidung beider Senate des Bundesverfassungsgerichts wäre erforderlich gewesen!

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2015, auf das sich die Gegner*innen des Berliner Neutralitätsgesetzes gerne berufen, kann das Berliner Neutralitätsgesetz nicht aus den Angeln heben.

Kürzlich hat der  Staatsrechtler Prof. Dr. Horst Dreier in der Auseinandersetzung um das  Berliner Neutralitätsgesetz die Rechtsauffassung geäußert, dass im Jahre 2015 das Plenum des Bundesverfassungsgerichts hätte zusammentreten müssen, um eine (gemeinsame) Position zur staatlichen Neutralität und religiösen / weltanschaulichen Symbolen im Öffentlichen Dienst festzulegen.  Hintergrund: Die beiden maßgeblichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur  staatlichen Neutralität und religiösen Symbolen (Entscheidungen „Kopftuch I“ und „Kopftuch II“) aus den Jahren 2003 und 2015 widersprechen sich in zentralen Punkten.

Für einen solchen Fall sieht Paragraf 16 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes vor, dass das Plenum (die Richter beider Senate des BVerfG) zu entscheiden hat.  Der 1. Senat ist mit seiner Entscheidung von 2015 von der Entscheidung des 2. Senats von 2003 abgewichen, hat aber die Anrufung des Plenums unterlassen.

Prof. Dreier referierte im Juni 2018 auf einer Veranstaltung der Katholischen Akademie Berlin zum Berliner Neutralitätsgesetz. Er äußerte sich zu dem Berliner Neutralitätsgesetz positiv, zumal es sämtliche Religionen und Weltanschauungen gleich behandele.

Mit dieser Äußerung des  renommierten Staatsrechtlers sieht sich die Initiative Pro Berliner Neutralitätsgesetz in ihrer Auffassung bestätigt, wonach bei einer (beabsichtigten) abweichenden Gerichtsentscheidung im Jahre 2015 von der des Jahres 2003 das Plenum des obersten deutschen Gerichts hätte zusammentreten müssen.

Für die Initiative hat sich bereits Anfang dieses Jahres der Jurist Dr. Gerhard Czermak in einer gutachterlichen Stellungnahme geäußert http://pro.neutralitaetsgesetz.de/berliner-neutralitaetsgesetz-nicht-verfassungswidrig-rechtsgutachterliche-stellungnahme-von-dr-gerhard-czermak   und das Nichtzusammentreten des Plenums gerügt.

Folge:  Da die beiden Urteile des Bundesverfassungsgerichts in entscheidenden Punkten (Bedeutung des Verhältnisses von Neutralität und Religionsfreiheit, Anforderungen an Gefahrensituation)  gegensätzliche Positionen beziehen, ergibt sich für die Berliner Landesebene – mangels gemeinsamen Beschlusses beider Senate  – keine Bindungswirkung aus dem Urteil von 2015.

Damit geht die immer wieder vorgetragene Behauptung, es ergebe sich bereits aus der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass das Berliner Neutralitätsgesetz verfassungswidrig sei, in´s Leere.

Wer so argumentiert, wie beispielsweise  immer wieder der Berliner Justizsenator – aber nicht nur er -,  hängt eher seinen politisch Wunschträumen nach als dass er auf eine in seinem Sinne sichere Rechtsprechung zurückgreifen könnte.

20.06.2018
Walter Otte

Prof. Dr. Horst Dreier in einem Artikel in der FAZ zur staatlichen Neutralität und religiösen / weltanschaulichen Symbolen:   http://www.faz.net/aktuell/politik/die-gegenwart/staat-und-religion-unter-dem-kreuz-14569781-p7.html

Der Rechtsphilosoph und Staatsrechtler lehrt an der Universität Bayreuth. Vor Jahren war er von der SPD als Bundesverfassungsrichter vorgeschlagen, scheiterte aber am Widerstand von CDU/CSU.

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