Was heißt eigentlich staatliche Neutralität? Ein Beitrag zur Debatte von Jürgen Roth

Angesichts der von der Initiative Pro Berliner Neutralitätsgesetz in Berlin angestoßenen breiten Debatte kommt bisweilen die Frage auf, ob es eigentlich dabei  ausschließlich um islamische Kopftücher geht und ob sich die Diskussion nicht gegen Frauen richtet.  Nein, beides ist nicht der Fall.

Das Bundesverfassungsgericht hat klar und deutlich entschieden, dass alle Religionen vor dem Gesetz gleich sind. Ob Christen, Muslime, Buddhisten oder Muslime – sie sind an die dieselben Vorschriften gebunden.

Duldete der Staat in den Schulen das Tragen oder Verwenden von Kleidungsstücken, Symbolen oder anderen religiösen Merkmalen, würde er die Kinder und Jugendlichen benachteiligen, die einer anderen Religion angehören oder religionsfrei sind. Es spielt im Übrigen keine Rolle, ob es um die Tracht der Taliban, rote Bhagwan-Kleidung, das Kruzifix, religiösen Schmuck oder die Barttracht orthodoxer Juden geht. Das Bundesverwaltungsgericht hat schon in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts entschieden, dass die orange-rote Tracht der Bhagwan-Jünger mit dem

 

Lehramt in der Schule nicht vereinbar ist. Jüngst musste eine christliche Lehrerin in Berlin im Unterricht auf ihre Halskette verzichten, weil die Kette ein deutlich religiöses Symbol zeigte.

Die Beispiele lassen sich fortsetzen…

 

Die Regeln gelten für Alle:  Religiöse Bekleidung – von wem auch immer – ist objektiv geeignet, das Vertrauen in die Neutralität der Amtsführung der Lehrkräfte zu beeinträchtigen oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Frieden zu gefährden. Dann wäre es mit der staatlichen Neutralität und dem damit verbundenen Beeinflussungsverbot vorbei; neutral wäre das gerade nicht mehr. Würde der Staat dulden, dass seine Lehrkräfte ihre Glaubens-, weltanschaulichen oder politischen Überzeugungen ohne Einschränkungen offen zur Schau stellen dürften, würden die Schüler religiös, weltanschaulich oder politisch beeinflusst. Allgemein bekannt ist, dass Lehrkräfte eine starke erzieherische Wirkung auf die Schüler ausüben.

Das Neutralitätsgesetz in Berlin ist auch nicht frauenfeindlich, wie oft unterstellt. Es gilt für alle Religionen und Weltanschauungen gleichermaßen und beschränkt sich gerade nicht auf spezifisch weibliche Kleidungsstücke. Die meisten religiösen oder weltanschaulichen Kleidungsstücke, Symbole etc. werden ohnehin auch – oder sogar ausschließlich – von Männern getragen.

Dass sich die aktuelle Debatte vor allem um das muslimische Kopftuch dreht, hängt schlicht damit zusammen, dass die konservativen Islamverbände gemeinsam mit einer organisierten Gruppe von Kopftuchträgerinnen alle Register des Rechtsstaats, aber auch der öffentlichen Demagogie ziehen.

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